Indikatoren zur Bodenbiodiversität
Warum wir Bodenbiodiversitätsindikatoren brauchen
Der Boden ist ein pulsierendes Ökosystem: Millionen von Organismen, von winzigen Bakterien und Pilzen bis zu Regenwürmern und Insekten, leben dort und erbringen essenzielle Ökosystemleistungen, die für uns Menschen und unsere Umwelt unverzichtbar sind. Sie recyceln Nährstoffe, bilden Humus, speichern Wasser, filtern Schadstoffe, binden Kohlenstoffdioxid und schützen Pflanzen vor Krankheiten. Ohne ein gesundes Bodenleben würden unsere Wälder nicht wachsen und unsere Äcker keine Nahrung liefern. Doch diese enorme Vielfalt ist für uns oft unsichtbar und das Monitoring der Bodenbiodiversität ist komplex. Die Organismen sind meist winzig, ihre Interaktionen vielschichtig und Veränderungen im Boden sind häufig schwer zu erkennen. Hier kommen Bodenbiodiversitätsindikatoren ins Spiel. Sie helfen dabei, diesen verborgenen Reichtum und seine Dynamik greifbar und messbar zu machen und sind Grundlage für Berichtspflichten und fundierte Entscheidungen im Umwelt- und Naturschutz.
Wo wir heute stehen: Wenige Bodenbiodiversitätsindikatoren, viele offene Fragen
Obwohl die Bedeutung der Bodenbiodiversität für unsere Ökosysteme außer Frage steht, zeigen sich bei der Entwicklung aussagekräftiger Indikatoren noch erhebliche Defizite. Es gibt bisher kaum bundesweit etablierte Bodenbiodiversitätsindikatoren, abgesehen von einigen Bundesländer-Initiativen und Bewertungskonzepten im Bereich der Regenwurmerfassung.
Regenwürmer eignen sich besonders gut als Indikatoren, da sie als sogenannte Schlüsselorganismen eine zentrale Rolle für Bodenfunktionen und die Bodengesundheit spielen. Gleichzeitig lassen sie sich mit relativ einfachen und bewährten Methoden erfassen – sie sind mit bloßem Auge sichtbar und in der Regel zuverlässig bestimmbar.

Viele darüberhinausgehende Ansätze der Indikatorenentwicklung blieben bisher im Entwurfsstadium und sind längst nicht so ausgereift wie in anderen Umweltbereichen. Ein Grund dafür ist, dass es bundesweit keine belastbaren Langzeitdatenreihen für wichtige Bereiche wie die Artenzusammensetzung von Bodentieren gibt. Neben Datendefiziten stellen auch methodische Unsicherheiten eine Herausforderung dar, da viele Fragen zur bestmöglichen Erfassung und Bewertung der komplexen Bodenbiologie noch unbeantwortet sind. Obwohl es Konzepte für Referenz-Lebensgemeinschaften in spezifischen Biotopen gibt, ist deren breite Anwendung noch nicht möglich.
Bodenbiodiversität – Vom Nischenthema zur nationalen Aufgabe
Die Relevanz der Bodenbiodiversität ist nicht länger ein Nischenthema für Fachleute, sondern rückt zunehmend in den Fokus von Politik, Wissenschaft und breiter Öffentlichkeit. In aktuellen nationalen Strategien wie der Anpassungsstrategie an den Klimawandel und der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt, sind Indikatoren zur Bodenbiodiversität fest verankert. Damit soll regelmäßig über den ökologischen Zustand der Böden berichtet werden. Als erster zentraler Indikator dient dabei der Regenwurm. Schrittweise wird dieser Indikator um weitere Bodenorganismengruppen wie Mikroorganismen und Mesofauna – also kleine Bodentiere wie Milben oder Springschwänze – ergänzt, um ein umfassenderes Bild der Bodengesundheit zu ermöglichen. Das geplante EU-Bodenüberwachungsgesetz schafft einen umfassenden Rahmen für den Schutz und die regelmäßige Überwachung von Böden. Dabei ist vorgesehen, die Bodenbiodiversität ausdrücklich zu berücksichtigen und systematisch zu erfassen.
Bodenbiodiversitätsindikatoren in der Nationalen Biodiversitätsstrategie (NBS 2030)
- Zustand der Regenwurmgemeinschaft: „Der Indikator liegt 2025 vor. Er liefert einen Baustein für die Beschreibung der biologischen Qualität des Bodens entsprechend des Bodentyps/der Bodenart und unter Berücksichtigung der spezifischen Nutzung (z. B. Grünland, Acker, Wald) und erlaubt die Charakterisierung von Abweichungen im Vergleich zum höchsten erreichbaren Zustand (z. B. „sehr guter“, „guter“ oder „mäßiger Zustand“). Komplementäre Ergänzung um MonViA-Indikator zur Diversität der Regenwurmgemeinschaften.“
- Zustand der Bodenmesofauna und Mikroorganismen: „Der Indikator befindet sich in der Entwicklung und wird den Indikator „Zustand der Regenwurmgemeinschaft“ ergänzen, um eine ganzheitlichere Betrachtung der Bodenbiodiversität zu ermöglichen. Er wird standortspezifisch angewendet werden müssen und dabei unterschiedliche klimatische und pedologische Gegebenheiten, sowie die Bewirtschaftung und Nutzung berücksichtigen […]. Komplementäre Ergänzung um MonViA-Indikator zur Abundanz, Vielfalt und Netzwerkstruktur der Bodenmikroorganismen.“
Bodenbiodiversitätsindikatoren in der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS 2024)
- „Unterziel 2.III (Guter ökologischer Zustand): Bis 2026 werden eine Definition und Beurteilung eines guten ökologischen Bodenzustands entwickelt und geeignete Klimaanpassungsmaßnahmen (sowie Klimaschutzmaßnahmen) abgeleitet.“
- „Als erster Indikator zur Messung von Unterziel 2.III kommt die Regenwurmfauna […] in Betracht. Der Indikator fokussiert auf die Entwicklung der mittleren Häufigkeit (Abundanz) sowie der Artenzahl unterschiedlicher Lebensformtypen der Regenwurmfauna auf Messstandorten auf Acker- und Grünlandböden. Sie werden bereits in einigen Bundesländern untersucht, eine Erweiterung und Standardisierung der bestehenden Bodenmonitoring-Programme ist jedoch erforderlich.
Für eine umfassende Betrachtung der Bodenbiodiversität ist es darüber hinaus notwendig, weitere wichtigste funktionelle Gruppen des Bodennahrungsnetzes zu erfassen, z. B. Enchytraeiden, Bodenmilben, Collembolen, Nematoden, Protisten, Bakterien und Pilze. Vor diesem Hintergrund befinden sich weitere Indikatoren im Rahmen des bundesweiten Monitorings der biologischen Vielfalt in Agrarlandschaften (MonViA) in der Entwicklung. Eine Maßnahme des Bundes, die zur Erreichung von Unterziel 2.III beiträgt, ist die ANK-Maßnahme." - „6.4. Stärkung der Bodenbiodiversität […]"
Bodenbiodiversitätsdeskriptoren der EU-Richtlinie zur Bodenüberwachung
Verlust an biologischer Vielfalt im Boden: „Die Mitgliedstaaten wählen [...] mindestens einen Bodendeskriptor für die biologische Vielfalt wie folgende, aber nicht beschränkt auf folgende:
- Metabarcoding für Bakterien, Pilze, Protisten und Tiere;
- Phospholipid-Fettsäure-Analyse (PLFA);
- Größe und Vielfalt der Nematodenpopulationen; [...]
- Größe und Vielfalt der Regenwurmpopulationen (bei Kulturflächen);
- Größe und Vielfalt der Springschwanzpopulationen;
- Größe und Vielfalt heimischer Ameisen;
- biologische Qualität des Bodens auf der Grundlage von Arthropoden (QBS-ar)
- Vorkommen invasiver gebietsfremder Arten und von Pflanzenschädlingen.“
Die Europäische Kommission hat im Juli 2023 eine Bodenüberwachungsrichtlinie vorgeschlagen, da das Fehlen spezifischer EU-Gesetze als Hauptursache für den schlechten Bodenzustand identifiziert wurde. Ziel ist es, bis 2050 für alle Böden in der EU einen gesunden Zustand zu erreichen, indem ein umfassender Rahmen für deren Überwachung und Schutz geschaffen wird. Die Verhandlungen über die endgültige Fassung beginnen voraussichtlich in der nächsten Legislaturperiode (2025).
Bodenleben im Blick: Fortschritte bei Indikatoren zur Bodenbiodiversität
Die zunehmende Relevanz der Bodenbiodiversität führt dazu, dass sich immer mehr Engagierte gemeinsam dafür einsetzten, Bodenbiodiversitätsindikatoren zu entwickeln und für gesetzliche Berichtspflichten nutzbar zu machen. Die dafür nötige verbesserte Datengrundlage ist ohne ein umfassendes Monitoring kaum zu erreichen.
Ansätze zur Entwicklung bodenbiologischer Indikatoren im Überblick
Im Folgenden finden Sie eine Übersicht aktueller Monitoringprogramme beziehungsweise -konzepte und Initiativen, die sich der (Weiter-)Entwicklung und Etablierung bodenbiologischer Indikatoren widmen:
Das Projekt zielte darauf ab, die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung nationaler und EU-weiter Berichterstattung zum Medium Boden zu unterstützen, indem es das Spektrum an Bodenindikatoren dokumentiert und thematische Lücken schließt. Insbesondere wurden praxisnahe Indikatorvorschläge für organische Bodensubstanz und Bodenbiologie entwickelt.
Kernstück des Berichts sind 41 Indikatoren, die speziell dafür entwickelt wurden, die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften zu erfassen. Dieses Indikatoren-Set deckt die drei Ebenen der Biodiversität ab – Lebensraum-, Organismen- und genetische Vielfalt – von der Landnutzung bis hin zu Boden- und Gewässerorganismen.
Das Nationale Bodenmonitoringzentrum vernetzt Personen aus verschiedenen Fachbereichen, die Bodendaten erheben und überwachen. Gemeinsam wählen sie wichtige Themen aus und werten die Daten aus, um verlässliche Aussagen über den Zustand der Böden und ihre Veränderungen auf nationaler Ebene zu treffen.
Das Forschungsprojekt (2025–2031) zielt darauf ab, Wissenslücken bezüglich der typischen Zusammensetzung von Bodenlebensgemeinschaften zu schließen, um die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bodenbiodiversität besser zu charakterisieren. Hierdurch sollen wirksame Maßnahmen zum Schutz der Bodenbiodiversität abgeleitet, messbare Indikatoren entwickelt und ein bundesweites Messnetz für Bodenbiodiversität etabliert werden.
Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Fachleuten von Bundes- und Landesforst- sowie Naturschutzbehörden, entwickelte das Nationale Biodiversitätsmonitoring im Wald (NaBioWald). Dieses Monitoring soll umfassende und repräsentative Daten zur biologischen Vielfalt in Wäldern - einschließlich Bodenorganismen – und deren Einflussgrößen sammeln.
Das Fachgremium des Nationalen Monitoringzentrums zur Biodiversität legt die fachlichen Grundlagen und Konzepte für ein umfassendes und aussagekräftiges Monitoring der Bodenbiodiversität in Deutschland, um den Zustand, die Veränderungen und die Funktionen der Bodenlebensgemeinschaften besser zu verstehen.